Ein Insider!!

Ein Oberst täuscht sich

Oberst von Bebanburg begann diese Welt bereits zu hassen. Meridus III hatte aus dem All schon nicht sehr vielversprechend ausgesehen. Ein schmutzig grau-schwarzer Staubplanet. Von Bebanburg musste sich eingestehen, dass viele Makropolwelten des Imperiums so aussahen, aber dass musste ihm ja deshalb nicht gefallen. Er war auf einer Bergbauwelt groß geworden. Dort herrschten raue Winde und klirrende Kälte fast das ganze planetare Jahr. Hier betrug die Außentemperatur 34 °C und das galt hier als gemäßigte Zone und war noch nicht mal die heißeste Jahreszeit. In Äquatornähe würde es jetzt wohl nahezu 50 °C haben. Nur gut, dass dort riesige Gebirge lagen und die Menschen dort in kühlere Höhen sich zurückziehen konnten.

Jetzt stand er aber in der diffusen, staubigen Hitze auf dem südlichen Hauptwall von Pacalis, der planetaren Hauptstadt des Planeten. Nicht, dass das hier viel zu bedeuten hatte. Die zehn Makropolen galten als unabhängig und schickten lediglich Vertreter in de Planetaren Rat, der auch den planetaren Gouverneur wählte, immer ein Oberhaupt einer Makropole. Seit Jahrhunderten war dies schon Pacalis. Aber auch jede andere Makropole konnte das Amt übernehmen. In jeder Stadt standen entsprechende Gebäude und Einrichtungen bereit. So ein Unsinn und so eine Verschwendung, dachte er. Das Imperium der Menschheit umfasste Millionen Welten und Abermilliarden von Menschen, alle vereint unter der Herrschaft des Gott-Imperators auf Terra, und hier frönte man einer lokal zelebrierten Unabhängigkeit. Wenn 's nach ihm ginge, würde er diesen Unfug sofort abschaffen, aber das Imperium war großzügig, solange die lokalen Autoritäten die Oberhoheit des Imperiums und den imperialen Glauben anerkannten und regelmäßig den festgesetzten Tribut zahlten.

Der Schweiß begann ihm herunterzulaufen und vermischte sich auf seiner Haut mit dem Staub in der Luft, seitdem sie die klimatisierten Limousinen verlassen hatten. Die Atemmaske begann bereits zu jucken. Die Luft galt zwar hier als atembar, aber jeder der nur etwas auf seine Gesundheit achtete, trug irgendeine Art von Atemschutz. Die einfachen Arbeiter und Untermakropolenbewohner trugen meist nur schmutzige Stofflappen vor Mund und Nase, die kaum vor den häufigsten Krankheiten, Silikose, Schwindsucht und Lungenkrebs, schützte. Die Wohlhabenderen trugen technisch und gestalterisch aufwändigere Atemschutzmasken. Bei den Adeligen waren es meist protzige Statussymbole. Er trug ein einfaches, aber effektives Militärmodell wie alle Delegationsmitglieder. Er war Mitglied der Entourage des Freihändlers Lucius de la Marcheval-Theodorus, dem Oberhaupt des Handelshauses Uxor-Marcheval. Sie hatten den Auftrag, das System gegen Piraten zu verteidigen, also eher nichts zu tun für sein Regiment, die 1. Marcheval-Brigade. 5000 gut ausgebildete und ausgerüstete Männer und Frauen mit leidlich Kampferfahrung auf Bucephalon, Schlacke und einigen anderen Planeten in der Koronusweite. Er hätte sich das nie träumen lassen als er Kommandeur der 12. Scintillanischen Straflegion wurde. Es war ebenfalls eine Strafversetzung zumindest ein Abschieben auf das Abstellgleis. Er hatte einigen seiner einflussreichen, aber unfähigen Vorgesetzten zu oft widersprochen und galt jetzt als renitent und unkooperativ. Sie wurden auf der Makropolwelt Tranch eingesetzt und von den Mutanten der bleichen Schar nahezu aufgerieben. Aufgefüllt wurde sein Regiment mit traumatisierten Soldaten aus anderen zerschlagenen Regimentern und frischen Nachschub aus den Gefängnissen der scintillanischen Makropolen. Der Haufen lag zur Auffrischung und Neuausrüstung auf Scintilla, als der damals unbedeutende Freihändler Lucius de la Marcheval das Munitorum um Truppen zur Erweiterung des Imperiums bat. Er dachte nicht, dass er noch tiefer sinken könnte, als unter einem Zivilisten, dem nur der Profit wichtig war, dienen zu müssen. Doch er sollte sich täuschen. Der Freihändler hauchte den Truppen neuen Mut und einen neuen Geist ein, befahl ein strenges, herausforderndes Ausbildungsprogramm, griff mit gnadenloser Strenge auch gegen Offiziere durch und beteiligte sich durchaus auch an der einen oder anderen Übung. Er besorgte bessere Ausrüstung und Unterkünfte und hatte stets ein offenes Ohr für „seinen“ Kommandeur. Im Feuer geschmiedet wurde das Regiment auf Bucephalon. In der Schlacht gegen die in die Hunderttausende gehenden Drumoi, eine durch einen künstlichen Virus erzeugte extreme Mutation der Einheimischen, wurde das Regiment zusammen-geschmiedet. Nahezu 50 % Verluste, aber siegreich durch Mut und Umsicht gleichermaßen. Das schweißte die Männer zusammen. Geradezu verehrt wurde der Freihändler, der sie durch die gesamte Schlacht geleitet und ihnen beständig Mut zugesprochen hatte, fast schon wie ein Priester, aber im Stillen angebetet wurde die Prinzessin Lucie von Bucephalon, die als Gefäß der heiligen J‘ymer diente und das Oberhaupt des Chaoskults, der die Drumoi beherrschte, nahezu im Alleingang besiegte. Seitdem beten viele Soldaten J’ymer an und kein Veteran geht ohne ein gesegnetes Bild der Heiligen in die Schlacht.

30 m unter ihm und mehrere hundert Meter südwärts fuhren mattgrau-lackierte Vehikel, die Einheimischen nannten sie Panzer, auf eine befestigte Infanteriestellung zu und beschossen sie mit Manöverrauchgranaten. Dazu schoss die Artillerie beider Seiten bunte Rauchwölkchen in die Luft. Sehr spaßig. Er schätzte, dass diese Planetaren Verteidigungskräfte gegen reguläre imperiale Streitkräfte nicht lange durchhalten würden. Ihre Ausrüstung entsprach nicht dem imperialen Standard, ihr Ausbildungsstand und ihre Kampferfahrung waren meist gering. Das bestätigte auch diese „Manöverschau“. Er wäre dem Angreifer schon längst in die Flanke gefallen und hätte den Angriff gestoppt. Doch da kam er schon, der Angriff der Verteidiger in die rechte Flanke der Angreifer. Schnelle Radpanzer mit Leman Russ Türmen, hier als Windhund bezeichnet, wie der Verbindungsoffizier der Pacalis Verteidigungsstreitkräfte  ein Oberstleutnant des Manöverstabes, dessen Namen er vergessen hatte, gerade erklärte, stießen überraschend aus den Staubwolken hervor. Die Rauchgranaten der Windhunde trafen die leichteren Dekurion- und Procursatorpanzer der Angreifer und zwangen sie zum Rückzug. Die Infanterie wurde mit Sprühfarbe aus den Flammenwerfern der Panzer überschüttet. Ihre grauen Staubmäntel waren jetzt eher rosa und sie rannten in großen Gruppen zurück. Doch schon krachten Rauchwolken auf die flinken Windhunde. Überschwere Panzer, genannt Tonitrus, schossen mit überlangen synchronisierten Kampfgeschützen aus großer Entfernung mit guten Erfolgen. Von Bebanburg war gegen seinen Willen durchaus beeindruckt. Diese Truppen hatten wohl doch taktisch was drauf, ging ihm durch den Kopf.

Jetzt sammelten sich die Reste der Angreifer um die schwerfällig nach vorn rumpelnden Riesen und griffen beherzt die Infanteriebefestigungen an. Zwar gab es noch ein Kanonenduell zwischen eingegrabenen Vernichtergeschützen und den Tonitruspanzern, aber der Ausgang der Schlacht war jetzt klar. Die Angreifer brachen in die Feldstellungen ein und eroberten sie. Auch hier bewährten sich die Tonitruspanzer mit ihrer umfangreichen Sekundärbewaffnung: Multmelter, Flammenwerfer und Bolter.

Von Bebanburgs Laune hatte sich durchaus gebessert und seine Gratulation an den Oberbefehlshaber der Pacalis Verteidigungs-streitkräfte, General Borat Gwindson, war durchaus ehrlich gemeint. Als er ihn nach näheren Informationen zum Tonitrus fragte, gab der General durchaus bereitwillig Auskunft. Es handelte sich um eine relativ neue planetare Eigenentwicklung, nachdem Lizenzverträge mit dem Adeptus Mechanicus nicht verlängert wurden. Das hatte er schon auf der Herfahrt vom Sekretär der planetaren Gouverneurin gehört. Aber er hatte nicht wirklich aufgepasst, war ja vordergründig keine militärische Information. Schon wieder hatte er sich getäuscht.

Es sollte nicht sein letzter Irrtum sein.