Ein Insider!!

Reiche Beute

 

Rufinus stand auf einer kleinen Aussichtsplattform und schaute in das riesige Hangardeck hinunter. Früher, als imperiales Kriegsschiff, verfügte die „Treu und Glauben“, die damals natürlich noch anders hieß, über ausgedehnte Jägerbuchten. Ganze Geschwader konnte das Schiff starten und so unter den zahlreichen Feinden des Imperiums Angst und Schrecken verbreiten. Die Jägerbuchten waren nun verschwunden und hatten hallengroßen Lagerräumen Platz gemacht.

 

Gerade schwebte einer Ihrer beiden Raumleichter, wahre Kolosse der Bison-Klasse, deren Ladekapazität 4000 to betrug, in den Be- und Entladebereich ein. Die Dockmannschaften arbeiteten professionell und eifrig, war ihnen doch bewusst, dass ihr Kapitän ihnen zuschaute. Er hatte extra seine Prunkrüstung angezogen. Der Plattenpanzer schimmerte in poliertem Silber mit reich verzierten goldenen Intarsien. Am Kopf trug er ein dunkelgrünes Barett mit exotischen Vogelfedern, gehalten von einer mit unvorstellbar kostbaren Edelsteinen verzierten Brosche. An seinen Hüften hing sein Energieschwert „Cruor Mors“ und eine reich verzierte antike Boltpistole. Seine Leute sollten ihren Kapitän als siegreichen Helden wahrnehmen. Dies ließ sie die Mühen und Verluste der vorausgegangenen Schlacht vergessen. Rufinus war dieser Pomp reichlich zuwider, doch er wusste, was er seinen Leuten und seiner Rolle schuldig war.

 

Die Arbeiter im Hangar wirkten gegen die Größe des Leichters wie wuselnde Ameisen, wie sie Treibstoff- und Versorgungsschläuche anbrachten. Kaum öffneten sich die Ladeluken begannen Lastenservitoren und Sentinel-Stapler den Leichter zu entladen und die Frachtbehälter in den kathedralegroßen Laderäumen der „Treu und Glauben“ zu verstauen. Auf den meisten Containern prangte das Adler-Logo des Munitorums, also handelte es sich um militärische Ausrüstung, die die Piraten im Meridus-System oder sonst wo in den Drusus-Marken erbeutet hatten.

 

Sie hatten die Piraten in einer harten Raumschlacht besiegt und nahezu restlos vernichtet. Ein Kommandoteam hatte die Piratenfestung mit Hilfe eines Überläufers infiltriert und die Befehlssektion erobert. Dabei kam der Anführer der Wölfe von Uraha, wie sich die Piraten nannten, ums Leben. Die Piraten verfügten vor Ort über einen schweren und zwei leichte Kreuzer, zwei Fregatten sowie drei Zerstörer. Auch wenn einige der Schiffe im Dock lagen und die Piraten völlig überrascht wurden, konnte man den Angriff des Lord-Kapitäns mit seinen drei Schiffen nur als tollkühn bezeichnen. Wenn die Makrokanonen der Piratenbasis noch auf Seiten der Piraten in den Kampf eingegriffen hätten, wäre es um die Schiffe des „Freihändlers“ geschehen gewesen. Aber der Gott-Imperator war, wie üblich, auf der Seite seiner treuen Diener und so konnten sie die Piratenschiffe unter erheblichen eigenen Beschädigungen zusammenschießen und dann die von der Kommandosektion aus weitgehend entlüftete Piratenbasis einnehmen. Zehntausende Bewohner der Basis, Piraten wie Gefangene und Versklavte, verloren in wenigen Augenblicken ihr Leben. Rufinus betrauerte die Unschuldigen und betete für sie, doch das Werk des Gott-Imperators ist oftmals blutig und nicht immer ist es möglich die Unschuldigen zu schonen. Auch auf seinen Schiffen waren über 10 000 Raumfahrer gefallen.

 

Rufinus seufzte und wandte sich wieder dem Geschehen im Hangar zu. Jetzt wurden Kisten und Container mit den verschiedensten Handelswappen ausgeladen. „Was ist in den Behältern?“ fragte er ohne sich umzuschauen. Silvanus, der ihm als Seneschall mehr oder weniger treu diente und die ganze Zeit schweigend neben ihm gestanden hatte, antwortete: „Verschiedene Luxusgüter, die wohl für die Adelshäuser auf Meridus bestimmt waren: Feinster Amasec und Weine aus Bilani, erlesenes Porzellan von Baraspine, edle Stoffe von Scintilla und Edelhölzer von Lacusta, darüber hinaus noch Edelmetalle, Schmuck und Kunstgegenstände, aber auch Cogitatorkomponenten und seltene Metalle von erheblichen Wert. Nur die wertvollsten Güter und militärische Ausrüstung lasse ich hier einladen, den Abtransport der Massengüter, Rohstoffe und Lebensmittel organisiert unser Geschäftsfreund Chindlund mit seinen Transportschiffen. Zum Schluss lasse ich die nicht benötigten Ersatzteile verladen.“ Die Beute gehörte dem Sieger, das wusste auch Rufinus. Die ursprünglichen Eigentümer würden sie auslösen müssen oder darauf verzichten, wenn sie überhaupt noch lebten.

 

Der Lord-Kapitän wendete sich ihm zu. Silvanus sah blass aus und offensichtlich hatte er noch Schmerzen, hatte er doch in den letzten Kämpfen eine schwere Brustwunde davongetragen. Trotzdem ließ er sich nicht davon abhalten die Beute der Piraten persönlich zu sichten und die Verladung zu überwachen. „Ist Chindlund schon im System? Hat er Neuigkeiten mitgebracht?“ fragte der Kapitän. „Ja, sein Schiff wird in 12 Stunden hier eintreffen. Und nein, er hat auch keine Neuigkeiten von Meridus. Vermutlich hat die planetare Gouverneurin eine Nachrichtensperre über den Planeten verhängt. Das verheißt nichts Gutes.“ Rufinus blickte ihn weiter ernst an. Silvanus fuhr fort. „Als wir vor Wochen den Planeten verließen, war die Spannungen zwischen den beiden Machtblöcken auf dem Höhepunkt. In den Gazetten und Nachrichtenkanälen der Makropolen wurde nahezu täglich über Übergriffe und Gräuel der jeweils anderen Seite berichtet. Die Menschen eilten in die Rekrutierungsbüros und meldeten sich zu Tausenden bei den planetaren Streitkräften. Täglich fanden Militärparaden statt.“

 

Der Lord-Kapitän unterbrach ihn. „Ich konnte Euch nicht dort lassen. Erstens brauchte ich Euch hier und zweitens wurde der Boden auf Meridus für Euch zu heiß. Das ein Inquisitor auf Euch Jagd machen ließ, kann jetzt noch kaum glauben.“ „ Lucie ist jedenfalls davon überzeugt, dass es ein Inquisitor oder ein hochrangiger Agent der Inquisition war, den sie getroffen hat und der ihr subtil gedroht hat. Jedenfalls gingen danach die Anschläge auf uns los und wer sich traut, einen Flügel des Gouverneurspalasts zu sprengen, muss schon verdammt dicke Eier haben.“

 

Rufinus zuckte bei der verbalen Entgleisung seines Seneschalls nur unmerklich mit den Augenbrauen. Silvanus ließ selten eine Gelegenheit aus, deutlich zu machen, dass er aus Infernis stammte, der höllenähnlichen Untermakropole von Stahlstadt auf Scintilla, der Zentralwelt des Calixis-Sektors. Dort kamen die hartgesottensten Revolverhelden des ganzen Sektors her und mit seinen beiden Boltpistolen hatte Silvanus schon so manchem Feind das Fürchten gelehrt. „Wie durch ein Wunder ist uns dabei kaum was passiert.“ ergänzte er. Rufinus erwiderte, „Der Imperator beschützt. Wenn auch nicht die Garderobe der Prinzessin.“ Beide lachten kurz über den Scherz, der sich auf die ausgiebige Putzsucht der Prinzessin bezog, die die meisten nur als Freihändlerin Lady Lucie Uxor kannten. In Wirklichkeit war sie die Prinzessin von einem feudalen Hinterwäldlerplaneten am Rand des Calixis-Sektors und durch die Gnade des Gott-Imperators einige Male das Gefäß der Heiligen Jymer gewesen, die durch sie ihre Wunder wirkte und immer noch verfügte Lucie über einen kleinen Rest der Kräfte der Heiligen.

 

Doch schnell wurden sie wieder ernst. „Dass wir keine Informationen über die derzeitige Lage haben, beunruhigt mich.“ warf der Lord-Kapitän ein. „Das verstehe ich.“ entgegnete Silvanus, „Doch andererseits rasseln die Machtblöcke auf Meridus schon seit über hundert Jahren mit den Säbeln und bis auf kleinere Scharmützel ist nichts passiert.“ Rufinus erwiderte „Ihr habt doch selbst berichtet, dass der Konflikt in letzter Zeit massiv angeheizt wurde. Auch wenn wir die Hintermänner noch nicht genau kennen, sind wir ihnen doch auf der Spur.“ „Auf jeden Fall wissen wir jetzt, dass Julis Veemeer in die Sache verwickelt ist. Wir haben jede Menge Dokumente gefunden, die das Handelshaus massiv belasten.“ warf Silvanus ein.

 

Rufinus ließ sich nicht beirren. „Wir müssen so schnell wie möglich aufbrechen. Die Reparaturen unserer Schiffe haben absoluten Vorrang. Ich will einigermaßen kampftauglich ins Meridus-System zurückkehren. Wer weiß, was uns dort erwartet.“ „Aye, aye Käptn, genauso habe ich es angeordnet.“ versicherte ihm sein Seneschall. Rufinus hatte da seine leisen Zweifel, wenn er ins Hangardeck hinunterschaute, doch die Situation auf Meridus machte ihm mehr Sorgen, als er sich eingestehen konnte. Zwar hatten sie ihren primären Auftrag erledigt, doch jetzt hingen sie hier für mehrere Wochen fest und niemand wusste hier, was derweil auf Meridus geschah.

 

Rufinus verließ die Aussichtsplattform und begab sich wieder auf die Brücke der „Treu und Glauben“, um von hier die Reparaturarbeiten voranzutreiben.