Ein Insider!!

Rundum-Service

 

Jerome Duglasser war stolz auf seine Arbeitsstelle. Mit 55 Jahren war er bereits stellvertretender Geschäftsführer der All-Premium-Services-Gesellschaft mbH, nachdem sein Vorgänger bei einem Autounfall ums Leben gekommen war. Er führte bei Abwesenheit des eigentlichen Chefs und Besitzers das Unternehmen alleine. Und sein Chef, der ehrenwerte Jodokus Klieme, war häufig unterwegs. Master Klieme kam vor 3 Jahren nach Pacalis, zumindest gründete er da das Unternehmen. Er kam von außerhalb des Meridus-Systems. Duglasser vermutete von einer der großen Makropolwelten des Calixis-Sektors, Malfi, Psell oder gar Scintilla, die Sektorhauptwelt. Klieme war hochgewachsen, gutaussehend und als Unternehmer noch sehr jung. Jerome schätzte ihn auf Anfang 40. Er kleidete sich eher unauffällig elegant, anders als die meisten jungen, adeligen Schnösel der pacalischen Oberschicht. Er war auf jeden Fall sektorerfahren, hatte ausgezeichnete Verbindungen zu den wichtigen Welten des Calixis-Sektors und wusste genauestens Bescheid, was in Adelskreisen gerade angesagt war.

Die APSG mbH, wie sie häufig genannt wurde, war spezialisiert auf Dienstleistungen für die Oberschicht der Makropole Pacalis. Von ganz trivialen Dingen wie Einkaufs- oder Wäscheservice über Festveranstaltungen und Leibwächterdienste bis hin zu delikateren Aufgaben wie das Besorgen spezieller Güter ohne Einfuhrerlaubnis oder das Beruhigen von Geschädigten, wenn das verwöhnte Söhnchen mal wieder über die Stränge geschlagen hatte. Die APSG machte natürlich nichts richtig Illegales. Nein, nein, man bog höchstens mal ein bisschen die örtlichen Gesetze und vermittelte da und dort mal ein kleines Entgelt für den Aufwand der Gegenseite. Für Duglasser war das in Ordnung. Schließlich musste jeder sehen wo er bleibt und so liefen die Dinge im Imperium eben. Für Jerome liefen die Dinge gut. Seine Frau, seine zwei Kinder und er wohnten jetzt in einer geräumigen, hellen Hub-Wohnung im oberen Bereich der Mittelmakropole. Noch nicht Oberstadt, aber fast. Kein Vergleich mit ihrer vorherigen 2-Zimmer-Standard-HubWohnung, ein finsteres, feuchtes Loch mit häufigen Stromausfällen und strikter Wasserrationierung. Auch konnte sich die Familie ein Automobil leisten. Nichts besonderes, eine Familenkutsche eben. Sie war auch nicht neu, aber der ganze Stolz seiner Frau.


Für die meisten Wünsche hatte er die richtigen Leute oder Unternehmen in seiner Kartei. Die APSG machte nichts selbst, o nein, sie vermittelte nur entsprechend geprüfte Fachkräfte, die auf ihrem Gebiet zu den Spitzenkräften zählten. Um die kniffligen Fälle kümmerte sich so wie so nur der Chef persönlich. Dann saß er in seinem abgeschirmten Büro und telefonierte über abgeschirmte Leitungen. Auch empfing er dort verschiedene Personen. Manche waren erkennbar adelig, die beachteten ihn kaum und redeten nur mit dem Chef selbst, andere waren erkennbar nichtadelig, vermutlich sogar aus der Unterstadt. Wenn sie auch nicht so rochen, so hatte er dafür trotzdem eine Nase. Diese beachteten ihn auch nicht und redeten ebenfalls nur mit dem Chef, den sie manchmal „Boss“ nannten, wie despektierlich. Da war es ihm gerade Recht, dass sie ihn nicht beachteten.

Jerome war von Natur aus nicht neugierig und er hatte das untrügliche Gefühl, dass dies in seiner Position auch auf keinen Fall wünschenswert war. So hielt er sich streng an die Direktiven seines einzigen Vorgesetzten und versuchte ihn keinesfalls zu enttäuschen.

Heute war ein ungewöhnlicher Tag. Der Chef war schon vor 9 Uhr in der Firma erschienen und sofort in seinem Büro verschwunden. Seit dem telefonierte er andauernd, bis gegen Mittag einige Damen und Herren sein Büro betraten. Es waren die Sorte Leute, die Jerome ungern um sich hatte, offensichtlich gewaltbereite und minderklassige Elemente der Gesellschaft. Sie berieten nun schon seit Stunden.

 

Dann ging die Tür des Chefs auf und die Leute verließen sein Büro. Einige nickten ihm kaum merklich zu, die anderen beachteten ihn gar nicht.

Anders als sonst betrachtete er die Fremden genauer. Es waren fünf Personen, drei Männer, zwei Frauen, wobei eine der Frauen auch leicht als Mann durchgehen könnte, so muskelbepackt wie sie war. Die andere war das genaue Gegenteil, klein, schlank, und grazil. Der weibliche Muskelberg trug Militärdrillich, die kleine Akrobatin einen einteiligen Bodysuit mit einer leichten Jacke drüber. Beide könnten in einem Zirkus arbeiten. Sie bewegten sich alle mit energischem, federnden Schritt. Es war offensichtlich, dass sie als Gruppe agierten. Der vorn Gehende schien der Anführer zu sein. Er trug dunkle, gepolsterte Hosen und einen Sturmmantel. Sein Atemschutzgerät, dass ihm nun lose am Hals hing, war alt, abgenutzt, aber offensichtlich von besserer Qualität als der übliche Schnitt auf den Straßen von Pacalis, ein imperiales Modell von außerhalb. Er hatte schmutzigbraune Haare, eine auffallende Narbe auf der rechten Wange und einen sehr strengen Blick, der Jerome durch und durch ging. Kein Mann für lange Diskussionen. Der Zweite noch weniger, ein Bulle von einem Mann, Typ Schläger, olivfarbene Haut, ausgeblichene Armeejacke über Drillichhosen, ein schweres Pistolenhalfter am Gürtel, kahl mit einer mehrfach gebrochenen Nase, doch richtig unheimlich war der Dritte: schmal, fast schon zerbrechlich wirkend, sah er mit seinen wäßrig-blauen Augen einfach durch ihn und alles durch. Definitiv die Art von Leuten, denen er nachts nicht allein begegnen würde wollen.


Der Chef telefonierte schon wieder, so dass Jerome nicht wichtige Dinge mit ihm absprechen und ihm dringende Papiere zur Unterschrift vorlegen konnte. Dabei musste eine Soiree bei der ehrenwerten Fürstin van der Sloot organisiert werden. Und sie forderte immer das Beste und Außergewöhnlichste. Es würde ein sehr aufreibender Tag werden.

„Die kleine Büromade hat uns heute ganz schön gemustert“, äußerte Vernetta, als sie in ihr heruntergekommenes Hubquartier zurückgekehrt waren. Ihre breiten Muskelstränge um Schultern und Rücken zeichneten sich deutlich unter ihrem Hemd ab, nachdem sie ihre Militärjacke ausgezogen und neben das Sofa im Gemeinschaftsraum geworfen hatte. Boras warf seine Atemmaske auf den Tisch und wischte sich mit einem fleckigen Tuch den Schweiß vom Gesicht und kahlem Schädel. „Brauchst Dir keine Sorgen machen“ meinte er mit einem spöttischen Unterton, „wenn er zu neugierig wird, wird er eben auch entsorgt. Das Leben ist ja so gefährlich hier.“ „Du mich auch“, entgegnete Vernetta. Es stand eine neue Runde Streitlust zwischen Boras und ihr in der Luft. „Hört sofort auf!“ intervenierte Aemilianus, ihr Anführer, „wir haben, beim Gott-Imperator, wahrhaft Wichtigeres zu erledigen.“


„Wie gehen wir vor, Boss?“ Indro hielt seine Schwertscheide vor sich und machte leichte Dehnübungen, während er das sagte. Sein hagerer Körper schien nur aus Muskeln und Sehnen zu bestehen. Twana saß kerzengerade auf dem Sofa und hatte ihre Beine untergeschlagen. Wie immer beteiligte sie sich nicht am Gespräch, verfolgte es aber aufmerksam. „Wir gehen wie folgt vor.“ sprach Aemilianus weiter. „Der Chef redet erst mal mit der Freihändlerin. Vielleicht verrät sie etwas über ihre Motive. Sollten sie nicht einsichtig sein, greifen wir ein“ „Das Motiv dürfte klar sein, Shekel“, warf Vernetta ein, während sie sich ein Lho-Stäbchen ansteckte. „Du hättest Recht, wenn man nur die Aktion in der Mulhacen-Mine betrachtet.“ widersprach Aemilianus, „Der alte Baron hat aus Dankbarkeit ein paar lukrative Handelsverträge mit der Freihändlerin abgeschlossen. Doch ihre Einmischungen im Secander-Viertel, am Machwu-Staudamm oder beim Fertigungsareal 51 waren nicht von Profit geleitet. Selbst für einen Freihändler sind diese Leute einfach zu neugierig.“ Boras ergänzte, während er auf einem Stück Industriehartwurst herumkaute: „Auch haben sie die in ihrem Schiff gelagerten Waffen trotz sehr lukrativer Angebote nicht verkauft. Ich glaube auch, dass da mehr dahinter steckt.“ „Wir werden sehen.“ unterband Aemilianus die aufkommende Diskussion und fuhr sich mit den Fingern durch seine braunen Haare. „Wir werden auf jeden Fall weitere Aktionen dieser Art der Freihändlerin und ihres Senneschalls unterbinden. Sie dürfen den Plänen unseres Meisters nicht mehr in die Quere kommen. Sind sie nicht vernünftig, gewähren wir ihnen die Gnade des Imperators.“