Ein Insider!!

Protokollfragen

 

Goge Ohlmacher strich sich zum wiederholten Male seine feine Robe glatt. Sie war dunkelblau mit breiten Kragen- und Ärmelaufschlägen, die mit goldenen Lorbeerblättern, in die Totenköpfe und imperiale Adler eingewebt waren, bestickt war. Über dem Flugfeld hatten sich die dichten Wolken aufgelöst und die Sonne brannte sich erbarmungslos durch die dunstige Luft und erhitzte den Beton, so dass die Luft bereits zu flimmern begann. Goge machte dies nichts aus. Er lebte schon zu lange, als dass ihn das Wetter um die Makropole Pacalis erschüttern könnte. Goge war überhaupt nur schwer zu erschüttern. Das lag weniger an dem vielen Jahren, die er im Dienste der Planetaren Gouverneurin als ihr erster Sekretär schon erlebt hatte, als an seinem Naturell. Er hatte einfach ein ruhiges, unerschütterliches Gemüt.

 

Nun stand er hier und wartete mit ungefähr 1000 Soldaten der PVS und der imperialen Armee auf die Landung eines Shuttles. Das Imperium, in diesem Fall der Sektorgouverneur Marius Hax, hatte endlich ihr Flehen erhört und Schiffe geschickt, um die Piraten, die seit einem Jahr die Versorgung und den Handel der Makropolwelt empfindlich störten, zu verjagen und es hatte prompt eine große Schlacht im All gegeben als die imperialen Schiffe eintrafen. Von der Orbitalstation hatte er einen detaillierten Bericht erhalten. Insgesamt hatten 5 Piratenzerstörer und eine Fregatte Jagd auf das Sektoradministratumsschiff „Gerechtigkeit des Imperators“ gemacht und es schon schwer beschädigt bevor der angeheuerte Freihändler mit seinem Großkreuzer und zwei Begleitschiffen eingreifen konnte. Dann dauerte es allerdings nicht lange, bevor sich die weitaus größere Kampfkraft gegen die listig vorgehenden Piraten durchsetzte und die feindliche Fregatte sowie zwei ihrer Zerstörer vernichtet waren. Der Rest der Piraten floh feige und so konnte das schwer beschädigte Administratumsschiff gerettet werden. Zwar war auch der Zerstörer und vor allem die Fregatte des Freihändlers erheblich beschädigt worden, doch nichtsdestotrotz war es ein großer Sieg. Eine dringend nötige Aufmunterung für die größtenteils hungernde Bevölkerung und die Medien stürzten sich schon drauf. Bald würde man den Freihändler und seine Mannen als große Helden feiern und die schon aufkommende antiimperiale Propaganda verstummen.

 

Viele hätten in diesem speziellen Fall den Piraten Erfolg gewünscht, bedeutete der Besuch eines Administratumsschiffs meistens höhere Abgabelasten, doch diese Leute vergaßen, dass die Verärgerung des Sektorgouverneurs ob so eines Affronts gegen die imperiale Autorität massive Gegenmaßnahmen bedeutet hätte, die im Verhältnis zu einer Abgabenerhöhung dem Planeten erheblich teurer zu stehen gekommen wären. Auch wenn die Piraten an dieser Sache die Schuld getragen hätten, wäre doch der Vorfall im Meridus-System passiert und das hätte dem Ruf des Planeten schwer geschadet. So war Goge dem Freihändler durchaus dankbar, obwohl er sich auch erhebliche Sorgen machte.

 

Die Machtverhältnisse auf Meridus waren schon kompliziert genug und die Spannungen zwischen den einzelnen Machtgruppen nahmen von Monat zu Monat zu. Kleinste Verschiebungen des Machtgefüges konnten katastrophale Folgen nach sich ziehen. Es wäre nicht der erste Bürgerkrieg auf Meridus, wenn auch der letzte bereits 250 Jahre zurücklag. Trotzdem hatte sich das Trauma von über einer Milliarde Tote in die kollektive Volksseele eingefressen. Doch anstatt sich jetzt um einen planetenweiten Frieden zu bemühen, haben sich die Menschen hinter ihren haushohen Makropolmauern verschanzt und den Reichtum des Planeten einer ungeheuren Aufrüstung geopfert. Tag und Nacht produzierten die Schmieden Waffen und Ausrüstung für die Streitkräfte der einzelnen Makropolen.

 

Ohlmacher rückte sich seine fein verzierte Atemmaske zurecht und bekam einen Hauch der natürlichen Außenluft in die Nase. Es roch penetrant nach Petrochemie und Schwefel, Verbrennungsrückstände aus den großen Schmieden und Manufakturen im Norden der Makropole. Hier wurden insbesondere Flugzeuge, Treibstoffe, Farben und Lacke, sowie Lastkraftwagen und Pkws, vor allem für den planetaren Markt und ein paar Grenz- und Agrarwelten, hergestellt. Die Luft des ganzen Planeten war geschwängert mit diesen „Duftstoffen“. Seine Maske hatte Verbindung mit einem maßgeschneiderten Tank komprimierter Luft, der unter seiner Robe geschickt versteckt war. So bekam er neben der gereinigten Maskenluft noch eine Portion sauerstoffreiche Frischluft zugeführt. Das hielt ihn länger frisch und arbeitsfähig.

 

Laute Stimmen drangen an sein Ohr. Der Regimentskommandeur der 1. Pacalis Füsiliere, der einzigen offiziellen Formation der imperialen Armee auf Meridus, Oberst Jensin Quintos, lag sich mit dem Führer der Formation der 10 Makropolen, Colonel Grigus Sobotkov aus Slythko, über die Frage in den Haaren, wer als erster den Neuankömmlingen melden durfte. Und es sah nicht so aus, als wenn sie sich schnell einigen würden. Also musste er einschreiten, dezent natürlich. Also näherte sich den beiden Kontrahenten, räusperte sich und sprach leise: „Meine Herren, darf ich Ihnen einen Vorschlag machen, der allen Gerechtigkeit widerfahren lasse würde?“ Beide schauten ihn misstrauisch an. „Bitte, Exzellenz.“ presste Oberst Quintos hervor, sichtlich um seine Fassung bemüht. Sobotkov nickte nach kurzem Zögern. Ohlmacher machte seinen Vorschlag und nach kurzer Diskussion einigten sie sich auf den Ablauf.

Zufrieden ging der Erste Sekretär auf seinen Platz. Nicht alle Konflikte, mit denen er konfrontiert wurde, ließen sich so einfach lösen. Jetzt meldete der imperiale Oberst beide Formationen. Danach wurde die Formation der Städte abgeschritten. So war allen Genüge getan.

 

Ein silberner Punkt erschien am Himmel und wurde schnell größer. Ein raumfähiges Kanonenboot senkte sich auf die reservierte Parkposition und wirbelte eine gewaltige Staubwolke auf. Das Schiff machte einen betagten, aber gut gewarteten Eindruck. Nachdem die Triebwerke abgeschaltet waren und sich der Staub weitestgehend gelegt hatte, öffnete sich quietschend die große Heckklappe und 7 Personen traten in nahezu perfekter Formation ins Freie. Vorne links ging ein Hüne in Servorüstung, am anderen Flügel offensichtlich eine Frau in der grazilsten Rüstung, die Goge jemals in seinem Leben gesehen hatte. In der Mitte ging ein Mann in stark verzierter Plattenrüstung, einem ausladenden Barett, geschmückt mit einer exotischen Vogelfeder, mit wachsamen Augen. Dahinter folgten ein Mann im langen braunen Mantel, der sich knapp hinter dem Barettträger hielt, dann ein Oberst der imperialen Armee sowie eine Person mit einem Handcogitator, ohne Zweifel ein wichtiger Adept.

 

Quintos zögerte nur kurz, marschierte stramm auf den Mann in der Mitte zu, grüßte zackig und meldete dem Freihändler. Dieser schien unter seiner Atemmaske zu lächeln und reichte dem Oberst die Hand. Goge schritt auf die Ausgestiegenen zu, verbeugte sich förmlich vor dem Kapitän, stellte sich vor und überbrachte die Grüße der planetaren Gouverneurin. Dann stellte sich der Lordkapitän selbst und danach sein Gefolge vor. Goge fiel auf, dass alle bewaffnet waren. Der Lord-Kapitän trug ein fein gearbeitetes Kettenschwert und eine großkalibrige Pistole, eine sogenannte Boltpistole. Goge zweifelte, ob es viele dieser Waffen auf Meridus gab. Wahrscheinlich nur ein paar Sammler- und Erbstücke. Der große Hüne hatte sogar zwei davon in seinen beiden Holstern und einige Ersatzmunclips am Gürtel. Die Frau trug ein breites Schwert auf dem Rücken. Auch der Mann mit dem Blick eines Falken hinter dem Kapitän trug ein Schwert.

 

Sie begannen dann das Spalier der angetretenen Formationen abzuschreiten. Jede Makropole hatte 50 Mann in der jeweiligen Paradeuniform und dahinter ein typisches Gefechtsfahrzeug aus ihrer Stadt stehen. Das imperiale Regiment bildete die andere Seite des Spaliers in ähnlicher Formation mit verschiedenen Gefechtsfahrzeugen.

 

Die Fremden schritten gleichmütig an den angetretenen Abteilungen vorbei und nickten den grüßenden Offizieren zu. Es wirkte ziemlich routiniert, doch Goge merkte, dass sie das noch nicht oft gemacht hatten. Also war der Freihändler wohl so jung wie er ausschaute. Ungewöhnlich, dass er schon so eine Flotte kommandierte und ebenso ungewöhnlich, dass das Sektorkommando ihm diesen Auftrag erteilt hatte. Die Flotte könnte er geerbt haben, die Beziehungen zum Sektorkommando auch. Auf jeden Fall hatte Goge Ohlmacher den Namen des Freihändlers vorher noch nie gehört. Es gab so viele kleine Freihändler, die niemals berühmt werden würden, weil ihnen das Glück oder das Geld der beides fehlte. Er hatte jedoch das Gefühl, dass in diesem jungen Mann und seinen ungewöhnlichen Begleitern mehr steckte und das roch nach Komplikationen und Ärger.

 

Goge Ohlmacher sollte Recht behalten.