Ein Insider!!

Große Kanone

 

Gunnery-Sergeant Yul Nidekker sah zu dem riesigen Geschütz hoch. Obwohl die Luft trübe vom Staub war, kniff er wegen der grellen Helligkeit die Augen unter seiner Atemmaske zusammen. Das hochgestellte Rohr ragte über 100 m hoch in die trübe, aber nichtsdestotrotz heiße Luft. Die Lafette des Geschützes lag auf sechs Kettenfahrgestellen von der Größe eines Baneblade-Chassis und bewegte sich gerade seitlich durch den ebenfalls heißen Wüstensand. Dutzende Begleitfahrzeuge und das Geschütz selbst wirbelten eine große Staubwolke auf. Nidekker spürte wie sich große Mengen Sandkörner im Grobfilter seiner Atemmaske verfingen. Er hoffte, dass das Lufteinsaugventil nicht zu schnell verstopfen würde. Er tauchte wieder in seinen Transporter und schloss die Dachluke. Seinen Fahrer wies er an endlich loszufahren. Auch durch die Seeschlitze konnte er die massiven Kettenfahrgestelle sehen.

 

Sie hatten die Einzelteile der großen Kanone mit Spezialwagons über die Grubenbahn von Slythko bis 200 km vor Batun gebracht und knapp außerhalb der Reichweite der Batuner Makrobatterie in tagelanger, schweißtreibender Arbeit zusammengebaut. Seit dem war das Geschütz quasi ständig in Bewegung, nur unterbrochen durch das Einrichten und Abfeuern. 40 Minuten dauerte es zwei Schuss abzugeben. Damit war die aktuelle Position der Batterie nicht so leicht anzupeilen und das Geschützrohr hatte Zeit, zumindest etwas, abzukühlen Als das Geschütz das erste Mal feuerte, riss die Erschütterung viele Leute der Bedienmannschaft zu Boden, hunderte Trommelfelle platzten, ganze Fahrzeuge wurden durch die Druckwelle umgeworfen. Jetzt wissen die Bedienmannschaften, dass die vorherigen Belehrungen nicht nur leeres, übertriebenes Geschwätz waren. Die Unfälle gingen danach spürbar zurück.

 

Der Feind in er Makropole Batun versuchte sie seit Tagen mit seiner Makrobatterie zu treffen. Doch lagen bisher die Einschläge der feindlichen Artillerie ausreichend weit entfernt, so dass das Geschütz bisher unbeschädigt geblieben war. Meistens bekamen Teile der Sicherungstruppen den ganzen Segen ab, aber der Südpakt hatte zu ihrem Schutz ein verstärktes Panzer-Korps aufgeboten. Das war nicht so leicht zu zerschlagen.

 

Die Kanone hatte ein Kaliber von 116 cm. Die Granaten hatten ein Geschossgewicht von 17 to und flogen in 20 Minuten über 150 km weit. Sie waren so konstruiert, dass sie sich bis in die Fundamente der Makropole bohrten und erst dann explodierten. Die daraus resultierenden Erschütterungen ließen ganze Hubtürme einstürzen und so starben bei jedem Treffer Hunderttausende. Bisher hatten sie schon erhebliche Zerstörungen in der Makropole Batun angerichtet. Die Batuner Streitkräfte ließen nichts unversucht, die Batterie zu zerstören. Schnelle Panzerraids, verzweifelte Luftangriffe, Sabotageteams, nichts konnte die starken Sicherungskräfte durchbrechen.

 

Und so bewegte sich der ganze „Zirkus“ wieder mehrere Kilometer durch die trostlose Aschewüste. Die Panzerketten des Geschützes hinterließen tiefe Spuren im harten Ascheboden. Kein Wunder, dachte Nidekker, die ganze Konstruktion wog über 3000 to. Während der Bewegung wurde das Geschützrohr gereinigt und eine weitere Granate sowie ihre Treibladungen auf die Ladegestelle gehievt. Kettengetriebene riesige Tieflader brachten die Munition längsseits und die Kräne des Geschützes hoben die schweren Granaten. Stellungswechsel und Schussvorbereitungen würden mindestens zwei Stunden dauern und so feuerte die Batterie 8 bis 10 Schuss am Tag ab. Nidekker gab sich dennoch keinen Illusionen hin. Die Makropole Batun war riesig. Über hunderte Quadratkilometer drängte sich Hubblock an Hubblock, in denen Abermillionen Arbeiter und ihre Familien ihr karges Dasein fristeten. Riesige Manufaktorien produzierten auch jetzt noch unter Beschuss und Belagerung der Megastadt eine Vielzahl von Rüstungsgütern, die, mit hastig ausgebildeten Soldaten bemannt, sogleich an die Front geschickt wurden. Dort wurden sie im Moloch der Materialschlachten zerrieben, nicht ohne auch den Südpakttruppen einen gehörigen Blutzoll abzuverlangen. Nidekker schauderte bei dem Gedanken unwillkürlich. Sein Machwu 152b-Arilleriemessfahrzeug bewegte sich auf die befohlene Position zu und Nidekker begann mit seiner Arbeit.

 

Ulysses di Monte presste seinen Körper flach in den grauen Wüstenstaub. Selbst durch die Atemmaske konnte er den chemischen und metallischen Geruch des feinen Sandes aufnehmen. Neben ihm lag sein Stellvertreter, Reuben Guwelles, Ranger 2. Klasse und hantierte an einem ca. 1 Meter langen und 25 cm durchmessenden, kastenförmigen Gegenstand herum. Die Aschepatrouille, der sie beide angehörten, hatte im Frieden die Aufgabe, die riesigen Weiten der nördlichen Aschewüste zu kontrollieren, die wilden Nomadenstämme in Schach zu halten und so für etwas Recht und Ordnung in diesen kontinentgroßen Gebiet zu sorgen. Jetzt in der Zeit des Krieges übernahmen die Ranger Aufklärungsaufgaben für das Nordallianzmilitär im gleichen Gebiet. Di Monte, als erfahrender Scoutführer, hatte erst vor wenigen Tagen vom ersten Bürger Batuns, Gothicus Orlosky, einen Spezialauftrag erhalten. „Finden und markieren Sie diese Batterien, di Monte, sie sind der Einzige, der das mit seinen Männern schaffen kann. Wenn wir die Batterien nicht schnell ausschalten, schießen sie die ganze Makropole in Schutt und Asche.“ Di Monte hatte die Verwüstungen gesehen, die die Granaten anrichteten, Berge von Schutt blockierten ganze Chausseen. Er hatte sogar mehrere Einschläge miterlebt. Obwohl die Einschläge über 50 km entfernt waren, bebte die Erde wie bei einem Erdbeben.

 

Jetzt lag er hier im Dreck, das Riesengschütz keine 6000 m von ihrer Position entfernt. Sie hatten sich mit einem leichten Wüstenfahrzeug durch den äußeren Sicherungsring geschlichen, jede Senke und jeden Staubsturm ausnutzend. Der Rest seiner Einheit beschäftigte die Sicherungstruppen. Sporadische Feuerüberfälle mit ihren schnellen Halbkettenfahrzeugen und Wüstenbuggys hielten die Südpakttruppen beschäftigt. Das Fahrzeug hatten sie einige hundert Meter hinter ihnen gut getarnt zurückgelassen. Die Südpakt-Sicherungstruppen waren zwar zahlreich und sicher nicht unerfahren, aber keiner kannte die Wüste so gut wie die Ranger der Aschepatrouille. Wo die Südpaktsoldaten nur eine brettharte Ebene mit einigen Dornenbüschen sahen, gab es sanfte Dünen und flache Einschnitte, in die man ein Wüstenbuggy nahezu verschwinden lassen konnte. Guwelles hantierte weiter an demklobigen Lasermarkierer herum, während sich Di Monte um das tragbare Voxgerät mit zusammenklappbarer Satellitenantenne kümmerte. Guwelles prssste sein Auge an das Okular und flüsterte, „Sie sind noch zu weit weg.“ „Abwarten“ beruhigte ihn di Monte, „sie bewegen sich genau auf uns zu.“ „Wenn das mal nicht zu nah ist.“ murmelte sein Stellvertreter. Es war auf jeden Fall zu nah, ging dem erfahrenen Ranger durch den Kopf, wenn die Makrobatterie die genaue Position übermittelt bekam, würde sich hier mehrere Quadratkilometer Wüste in eine infernalische Hölle verwandeln. Eher unwahrscheinlich, dass sie hier lebend wegkamen. Das war Di Monte klar.

 

Er wurde abgelenkt als ein Radfahrzeug des Südpakts direkt auf ihre Position zu hielt. Die beiden Ranger krallten sich flach in den Wüstenstaub und zogen ihre Tarnumhänge über sich und ihre Geräte. Das Motorengeräusch des Machwu-152b-Transportpanzers näherte sich und man konnte schon die Vibrationen im Boden spüren. Di Monte und sein Stellvertreter hielten unwillkürlich den Atem an, als sie das Fahrzeug mit nur wenigen Metern Abstand passierte. Doch der Wagen blieb nicht stehen, keine Rufe ertönten und keine Schüsse fielen. Guwelles zog hörbar die Luft durch seine Maske. „Das war ziemlich knapp.“ flüsterte er. Di Monte nickte, blickte sich kurz um und befahl: „Jetzt ist es nah genug. Ich bau die Satellitenverbindung auf. Wenn ich fertig bin, markierst Du!“ „Alles klar Chef.“ Guwelles grub den Markierer aus dem Wüstensand und stellte ihn auf das kurze Dreibein. Di Monte vollzog die notwendigen Riten und Beschwörungen, um das mit dem Lasermarkierer gekoppelte Voxgerät zu aktivieren. Mittlerweile hatte das Geschütz in ihrer Nähe angehalten. Nach endlos scheinender Zeit klopfte er seinem Stellvertreter auf die Schulter. „Verbindung steht.“ „Wurde aber auch Zeit. Die richten schon das Rohr aus. Entfernung 4512 m. Laserstrahl stabil. Hoffentlich orten die uns nicht so schnell!“ Di Monte erwiderte, „Quatsch nicht so viel. Wir übermitteln die Daten und machen uns vom Acker.“

 

Der Satellitenempfänger hatte gerade den Abschuss der Makrobatterie gemeldet. Einschlag in 22 Minuten. Sie bauten ab und wollten gerade wegkriechen, als sich ein kleineres Patrouillenfahrzeug näherte. Das dreiachsige Fahrzeug hatte einen hohen Aufbau mit einem kleinen Turm am Heck aus dem der Lauf eines schweren Bolters ragte. Das beunruhigte Di Monte viel weniger als die überdurchschnittlich gute Auspexausstattung, die man dem Fahrzeug nachsagte „Verdammt, ein Wolfhound, keine Bewegung!“ zischte er. Das Radfahrzeug kämpfte sich mit Mühe durch einige lockere Sandwehen. Die Zeit rann dahin und Di Monte stand nicht nur der Schweiß wegen der übergroßen Hitze auf der Stirn. „Wir müssen weg, sonst sind wir im Arsch!“ Guwelles Stimme nahm einen hysterischen Klang an. „Wenn wir uns jetzt bewegen, hat uns das Auspex.“ raunte Di Monte und drückte seinen Stellvertreter in den chemisch verseuchten Staub. Nach endlosen 5 Minuten wagten sie sich zu bewegen. Sie krochen so schnell sie konnten in Richtung ihres versteckten Fahrzeugs. Nach 100 m gingen sie in die Hocke und liefen geduckt weiter. Sie würden es nie schaffen, dachte Di Monte. Die zusätzliche Ausrüstung schepperte auf ihrem Rücken und drückte ihnen schwer ins Kreuz. Hinter einer flachen Düne entdeckte Di Monte ein halb verschüttetes Erdloch. „Da hinein“ rief er. „Du weiß nicht, was da haust.“ erwiderte sein Stellvertreter. Kein Ranger bei Verstand würde in der Wüste unvorbereitet ein Erdloch oder eine Höhle betreten. Die Predatoren der Wüste waren noch unbarmherziger als die Wüste selbst und sie hatten nur ihre Autopistolen dabei. „Egal“ rief Di Monte und ließ sich kopfüber in die dunkle Höhle fallen. Guwelles fiel auf ihn. Der schwere Lasermarkierer traf Di Monte schmerzhaft am Kopf und er sah zunächst nichts außer Sterne. Sein Fluch ging jedoch in einem infernalischen Donnern und Beben unter, dass beiden innerhalb von Sekunden das Bewusstsein raubte.