Ein Insider!!

Rückgrat der Verteidigung

 

Leutnant Andersen betrachtete mit seinem starken Fernglas das Vorgelände. Die Sicht war heute Vormittag außergewöhnlich gut, nur die Makropole im Norden lag, wie immer, unter einem grauen Dunstschleier verborgen. 10 km hinter ihnen lag der mächtige Pacalis-River über den sich eine 4 km lange Brücke spannte. Diese mit seinen Männern zu sichern, war seine Aufgabe. Noch weitere 25 000 Mann hatten sich im Halbkreis um diese Brücke eingegraben. Hauptsächlich Truppen der XXIV. Pacalis-Legion, eine PVS-Reserveeinheit, aber auch versprengte Truppenteile der 1. Panzerarmee, darunter auch Panzer, die ihr Ober-kommandierender, General Wills Ingerson, in die Verteidigungsstellungen mit eingraben ließ. Anderson kommandierte die 2. Hälfte der 3. Panzerabwehrbatterie des Panzerabwehr-regiments Stachelschwein, die andere Hälfte kommandierte sein Kompaniechef Hauptmann Dirk Klöver. Dessen 6 Langrohrpanzerabwehrgeschütze standen auf der ungefährlicheren Seite des Halbkreises um die Brücke, aber so war das schon immer, dachte Anderson. Die Leutnants bekamen immer die gefährlicheren Plätze.

 

Er hatte seine Geschütze tief eingraben lassen. Nur die überlangen Rohre ragten knapp über dem Boden aus den Stellungen heraus. Sie hatten ihre Stellungen mit Flakbrettern überdacht und großzügig Sand und Asche draufgeschaufelt, ungeachtet dessen, dass dieses ganze Zeug hochgradig verseucht war. Die Atemmasken seiner Leute wurden weit über die Belastungsgrenze strapaziert, aber über langfristige Gesundheitsschäden wollte jetzt niemand nachdenken. Der Feind war nicht mehr weit und man rechnete jeden Augenblick mit seinem Auftauchen. Die letzten 2 Tage und auch heute flogen die neuen Tempest-Jagdbomber des Südpakts und griffen immer wieder die Artilleriestellungen nördlich des Pacalis-Rivers an. Sie gingen dabei sehr methodisch vor. Zuerst waren die Hydra-Flugabwehrbatterien dran, danach die Geschütze. Anderson sah den Rauch und hörte die fernen Explosionen der Bomben. Ihn schauderte. Wenn die Bomber dann ihre Stellungen angriffen, konnte es nicht mehr lange dauern bis die Südpakttruppen heran waren.

 

Da tagelange Warten zerrte an den Neven der Männer. Die einen liefen in den Stellungen auf und ab, wie gefangene Raubtiere, andere saßen auf den Munitionskisten, rauchten, sofern sie noch Lho-Stäbchen hatten und starrten nur stumm vor sich hin. Anderson ging immer wieder durch die Stellungen, sprach den Leuten Mut zu oder lenkte sie mit ein paar witzigen Bemerkungen ab. Die Moral der Nordallianz-Truppen war auf einem Tiefpunkt. Die 1. Panzerarmee fast vollständig vernichtet, die Makropole Tibnan verloren, dauernde Luftangriffe und nur wenig eigene Erfolge an der Machwu-Front ließen die Leute kleinlaut werden und an einem Sieg zweifeln. Selbst der Einsatz von Geheimwaffen, über die es immer wieder Gerüchte gab, schien die Lage nicht zu verbessern. Der Feind rückte unaufhaltsam auf die Makropolen Pacalis und Batun vor. Vor allem der Verlust Batuns wäre eine Katastrophe. Die Nordallianz wäre praktisch besiegt. Dort im Süden, vermutete der Leutnant, lag dann wohl auch der Schwerpunkt es feindlichen Angriffs. Trotzdem bekamen sie hier im Norden am Pacalis-River mehr als genug ab. Täglich flogen die verdammten Tempestbomber Luftangriffe. Von den eigenen Luftstreitkräften war praktisch nichts zu sehen. Entweder sie waren im Süden eingesetzt oder vernichtet. Das nördliche Flussufer war massiv befestigt worden. Hunderttausende Milizsoldaten hielten diese Linie besetzt und befestigten sie unausgesetzt weiter. Nur wenige Brücken über den Pacalis-River waren noch nicht gesprengt. Damit sollte dem Feind mit einem Flankenangriff gedroht werden. Dabei konnte sich Leutnant Andersen gar nicht vorstellen, wo diese Angriffstruppen herkommen sollten. Vielleicht hoffte man endlich auf das Eingreifen der Imperialen Armee. Doch diese war auf Meridus nur schwach vertreten und außerdem durch die Untätigkeit der planetaren Gouverneurin gelähmt.

 

Leutnant Andersen wurde aus seinen Gedanken gerissen, als sein Feldwebel am optischen Auspex Bewegungen meldete, Entfernung 6000 m. Andersen blickte durchs Okular. Er konnte Radfahrzeuge und leichte Panzer unterscheiden. Bei der Fronttruppe gingen nun Artilleriegeschosse nieder. Er sah wie sich die Feindkräfte den vorgeschobenen Stellungen näherten und konnte sich vorstellen wie die feindlichen Soldaten unter Feuerschutz der Gefechtsfahrzeuge versuchten in die Stellungen einzubrechen. Die eigene Artillerie, obwohl schon erheblich dezimiert, deckte den Feind mit massivem Feuer ein. Staub und Dreck verdeckten nun die Sicht. Jetzt half nur noch das Sensorauspex. Die Südpakttruppen stürmten trotz erheblicher Verluste fast unbeeindruckt durch das Artilleriefeuer in die Infanterie-stellungen. Ihre überlebenden leichten Panzer deckten die Stellungen der Pacalis-Infanterie mit schweren Bolterfeuer ein, während die Sturmtruppen die Befestigungen im Nahkampf zu nehmen versuchten. Schon klingelte sein verkabeltes Feldvox. Die Stimme war in dem Gefechtslärm kaum zu verstehen: „ Hier Major Hilmer, III: Bataillon, ich brauche dringend das Feuer ihrer Geschütze. Diese Panzer machen uns fertig!“ „Tut mir Leid, Herr Major, ich habe meine Befehle. Ich hab nur Feuerfreigabe auf schwere Panzer.“ Der Major schnaubte und sprach dann energisch ins Vox: „Hören Sie mal, Leutnant, ich BEFEHLE Ihnen, sofort das Feuer auf die Panzer zu eröffnen. Für uns sind die schwer genug!“ Anderson blieb hart: „Keine Chance, Herr Major, nur der Divisionskommandeur kann mir so einen Befehl geben. Ich empfehle Ihnen, Ihre eigenen Panzerabwehrwaffen einzusetzen.“ Jetzt schrie der Major: „Sie werden von mir hören. Ich bring Sie vors Kriegsgericht!“ Dann knackte es in der Leitung und die Verbindung war unterbrochen. Anderson zog eine Grimasse und legte den Hörer auf das Feldvox.

 

Er konnte sich ungefähr vorstellen, was sich in den Feldbefestigungen 400 m vor seinen Stellungen abspielte. Wie sich Milizionäre mit geballten Ladungen und leichten Panzerbwehrhandwaffen auf die Panzer stürzten, wie sie mit Bajonett, Spaten und Pistole ihren Graben gegen den stürmenden Feind verteidigten, wie Fragmentgranaten hin und her flogen und explodierten. Männer und Frauen schrien und starben, starben zu Dutzenden. Die Überlebenden kämpften mit dem Rücken zur Wand, blutverschmiert, verschwitzt, verdreckt. Andersen sah die Regimentsreseve in die vorderen Stellungen eilen. Der Kampf dauerte noch Stunden, doch ging dem Gegner zusehends die Puste aus. Es war wohl doch nur eine kampfstarke Vorausabteilung gewesen. Der Hauptangriff stand ihnen also noch bevor. Andersen befürchtete das Schlimmste, ließ sich jedoch nichts anmerken. Wenig später erfuhr er, dass Major Hilmer gefallen war. Er bedauerte das, obwohl er auch erleichtert war.

 

Gespenstische Ruhe lag für mehrere Stunden über den Stellungen. Andersen war überzeugt, dass ich der Feind zum großen Schlag sammelte. Er sollte Recht behalten. Schon am nächsten Morgen lag der gesamte Gefechtsabschnitt unter schweren Artilleriefeuer und Bombenhagel. Teile der Feldbefestigungen wurden geradezu pulverisiert. Die Geschützstellungen der Panzerabwehrbatterie lagen knapp außerhalb des Feuersturms. Trotzdem zerrten die permanenten heftigen Erschütterungen an den Nerven der Männer und Frauen in den Stellungen und mancher Soldat musste von seinen Kameraden festgehalten werden, damit er nicht in Panik ins Freie lief und dort seinen sicheren Tod fand.

 

Der Feind erschien in großer Zahl und griff die gesamte Ostseite des Brückenkopfs an. Die Kämpfe waren brutal und nur eine Ausdünnung der ruhigen Gefechtsabschnitte konnte einen Durchbruch verhindern. Auf beiden Seiten waren die Verluste horrend, doch die Linie hielt. Gerade noch. Andersens Geschütze hatten wieder keinen Schuss abgegeben. Seine Leute waren extrem unruhig. Sie hatten Angst als Feiglinge abgestempelt zu werden. Da traf die zweite Welle des Feindes ein. Diesmal waren überschwere Panzer vom Typ Furious dabei. Geradezu erleichtert gab Andersen den Feuerbefehl. Auf 4000 m Entfernung schossen sie die Feindpanzer an. Das Ergebnis war ernüchternd. Ihre Sprenggranaten zeigten keine oder nur wenig Wirkung. Ein Koloss verlor eine Kette, feuerte aber weiter. Ein anderer verlor seinen Turm, sein Hauptgeschütz in der Wanne jagte aber weiter unverdrossen Schuss um Schuss raus. Die Titankillergranaten schlugen nahe ihrer Stellungen ein und wirbelten riesige Mengen Sand und Staub auf. Ein Geschütz wurde mit samt seiner Besatzung begraben, ein anderes bekam einen Volltreffer. Es sah nicht gut aus. Da befahl Andersen: “Holt die Sondermunition in den schwarzen Kisten!“ Seine Leute hielten den Atem an. „Diese Munition ist böse. Sie ist verflucht“ wagte sein Feldwebel einzuwenden. „Das ist mir egal!“ schrie Andersen, „Der Feind muss aufgehalten werden.“ Mit zitternden Händen holten die Ladekanoniere die schwarzpolierten, schillernden Granaten aus den Munitionskisten. Einige begannen zu wimmern, andere beteten laut. Andersen platzte der Kragen. Er riss die Autopistole aus dem Halfter. „Hört sofort mit dem Gejammer auf! Laden und feuern! Laden und feuern!“ schrie er immer wieder und fuchtelte mit der Pistole herum. Seine Leute erschraken vor ihm, doch sie gehorchten.

 

Die Granaten hatten eine im wörtlichen Sinne durchschlagende Wirkung. Sie schossen einen schweren Panzer nach dem anderen ab. Doch auch der Feind schaltete ein Geschütz nach dem anderen aus und die feindliche Infanterie durchbrach die Feldbefestigungen an mehreren Stellen. „Wir müssen hier weg.“ schrie ihm der Feldwebel über den Höllenlärm ins Ohr als die feindliche Infanterie immer näher kam. Andersen richtete seine Pistole auf ihn. „Keiner verlässt die Stellung, solange noch ein Geschütz intakt ist. Verminen Sie die Munitionsbunker und geben Sie mir den Zünder!“ Der Feldwebel tat wie ihm geheißen. Andersen letztes Geschütz schoss auf 400 m einen Furiouspanzer ab. Das explodierende Wrack riss dutzende Sturminfanteristen mit in den Tod. Doch es kamen immer mehr. Sie erreichten die Geschützstellungen und ein verbissener Nahkampf entbrannte. Andersen sah seine Leute einer nach dem anderen fallen. Er schoss seine Autopistole wiederholt leer bis er keine Munition mehr hatte. Der Sturminfanterist, der ihn brüllend mit seinem Bajonett aufspießte, sah noch einen kleinen Gegenstand aus der Hand des Leutnants fallen, dann wurde es gleißend hell.